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    42,2 Kilometer durch New York City | Mein erster Marathon

    11/07/2017 · by Diana

    Das war er, mein erster Marathon. Vor einem halben Jahr hab ich noch gemeint – Marathon? Nichts für mich. Und jetzt sitz ich hier, im Flieger von New York zurück nach Hause und greife mir immer wieder an die Brust – an meine Finisher-Medaille, die ich seit 24 Stunden kaum abgelegt hab. Ich bin meinen ersten Marathon gelaufen, in New York City, mit 50.000 Menschen, in 04:56:10.

    Es war das schönste, schwerste, wunderbarste, emotionalste und verrückteste, was ich jemals gemacht hab, der 05.11.2017 bleibt wohl für lange Zeit noch einer der schönsten Tage (wenn nicht der schönste) in meinem Leben bisher, ich hab es nicht einmal annähernd verarbeitet und kann’s bis jetzt nicht realisieren.

    Ich hab mir in den letzten Monaten mit Absicht sehr wenig zum NYC Marathon durchgelesen. Ich kenn mich und wusste, dass ich immer nervöser werde, je realer es wird. Und genau so war es – bis zum Abflug ging es mir super, ich hab mich auf New York gefreut, war kaum aufgeregt. Zum ersten Mal hat’s mich dann erwischt, als wir vom Flughafen aus in die Stadt reingefahren sind – dicker Kloß im Hals, New Yorks Skyline zum ersten Mal vor Augen, zum ersten Mal so halb verstanden, dass ich das jetzt wirklich mache. Freitag war noch alles schön und gut, wir haben ein bisschen Touri gespielt, die Stadt angeschaut. Abends dann die Startunterlagen abgeholt und am Samstag – dem Tag vor dem Marathon – war es dann vorbei mit mir. Ich hab mich über die kleinsten Dinge so aufgeregt, ich war so so so nervös, war mehrmals den Tränen nahe – und ich weine nie – als ich die letzten Daumen-Drück-Nachrichten von meiner Family und Freunden bekommen hab. Es war einfach wirklich viel, New York ist an sich schon komplett überwältigend, dazu noch die Aufregung und alles, das war zu viel. Nachmittags hab ich mich dann ausgeklinkt, hab mir kurz ein paar Minuten für mich alleine genommen, einen kleinen letzten Run durch Manhattan gemacht. Dann ging’s wieder. Abends gabs Pasta Party bei uns im Apartment und Maren war da – meine größte mentale Stütze, drei Sätze von ihr und mir ging’s direkt hundertmal besser.

    Schön Nudeln reingeschaufelt und früh ins Bett. Ich konnte zum Glück gut schlafen und war morgens dann sogar relativ ruhig. Wecker um 4:45 Uhr, es ging super früh los – der Start beim New York Marathon ist auf Staten Island. Heißt, man braucht bei all dem Verkehr schon einiges an Zeit, um überhaupt dorthin zu kommen. Auf der Fahrt Musik rein, Welt aus. Dann hieß es warten – und das war wohl das schlimmste. Man will nur noch los. Gegessen hab ich wie immer nur leichte Kohlenhydrate – einen Bagel und zwei Scheiben Weißbrot mit Marmelade, ein bisschen Obst und zwei schwarze Kaffee. Nochmal gut Wasser getrunken, mehrmals auf Toilette und dann ging’s endlich, endlich los. In unserem New Balance Running Team waren Sarah, Jan, Angie und ich. Für Sarah war es schon der dritte Marathon und sie war als erste von uns am Start. Für uns drei war es der erste und wir sind in der letzten Welle gestartet. Jan hatte einen anderen Startblock und so sind nur Angie und ich zusammen los. Der Start war unfassbar magisch, so eine große Menschenmenge um einen herum, gross, klein, jung, alt, aus allen Nationen der Welt, bereit, 42.2 Kilometer zu laufen.

    Angie und ich Hand in Hand los, über die Startlinie. Ganz wichtig war – langsam los, ganz ganz langsam. Über die erste Brücke (3km) und direkt gemerkt, dass die ingesamt fünf Brücken kein Kinderspiel werden. Sehr lange mit ordentlich Steigung hoch und dann alles wieder runter, kein Spaß für Knie und Waden. Nach den ersten Kilometern ging es als Erstes nach Brooklyn.

    Ich hab in meinem Leben noch nie so etwas gesehen – ausnahmslos jeder Meter der Strecke voller Menschen, ein einziges Fest, die beste Stimmung, die ich je erlebt hab. Angie und ich im Gleichschritt, etwas über einer lockeren 6er Pace, ganz locker. Wir mussten uns gegenseitig bremsen, es lief einfach fabelhaft, wir beide nur am strahlen, lachen, grinsen – unglaublich große Lust zu laufen und wären am liebsten viel viel schneller los, aber wir wussten, dass das sich später rächen würde und da hatten wir Recht. Bis zur Hälfte einfach ein Träumchen.

    Dann ging es bei Kilometer 25 auf die Queensboro Bridge. Und die war die Hölle. Angies Knie hat sich bemerkbar gemacht, wir haben kurze Pausen gemacht, bis sie mich alleine weitergeschickt hat und ich schweren Herzens alleine weiter bin. Die Brücke war die absolute Härte, fast alle neben, vor und hinter mir sind stehen geblieben, mussten sich an der Strecke ausdehnen und ausstrecken oder sind einfach nur noch gegangen. Auch bei mir haben die Beine ab Kilometer 28 angefangen – Fuß, Knie, Hüfte, alles im Wechsel. Zwischenzeitlich wieder gut, dann wieder furchtbar. Aus der Brücke raus, hab ich zum ersten Mal meine Support-Crew an der Strecke gesehen – schon von weitem ein lautes „DIANAAA!“ von Anne-Marie, Eva, Helene und Jana. Da ging’s direkt mit mir durch, ich aus der Menge raus, Anne-Marie um den Hals gefallen und weiter – direkt kamen mir die Tränen. Ein Stück weiter und auf einmal nochmal – „DIANA!“ Lou an der Strecke, ich wieder an den Rand, sie gedrückt, noch eine Welle Emotionen. Aber wisst ihr was? Beim Weinen kriegt man keine Luft mehr – also zusammengerissen, mich wieder beruhigt und weiter. Brooklyn und Queens waren durch, weiter nach Manhattan über die First Avenue.

    Und dann ging’s richtig an den harten Teil. Kilometer 28-33 waren so, so hart. Bei der nächsten Brücke musste kurz Musik rein, Peter Fox musste kurz helfen und meine drei absoluten Running-Lebensretter, Paint it Black, Rockabye und Firebird, ein bisschen Stromae und dan ging es schon in die Bronx, was wieder eine einzige Party war. Übrigens hat es den kompletten Run über durchweg geregnet, mal mehr und mal weniger, aber ich war klitschnass und teilweise war es wirklich kalt – trotzdem war ich froh, in Shorts losgelaufen zu sein. Durchgenässt wären meine Beine noch schwerer gewesen und ich muss mich unbedingt so frei und leicht wie möglich fühlen.

    Ich wusste, dass Maren bei Kilometer 35 auf mich warten wird, also war sie mein nächster Fixpunkt und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie gut das war. Irgendwann hab ich dann endlich ihren suchenden blonden Kopf am Rand gefunden und da ist alles aus mir rausgebrochen, hab nach ihr geschrien, sie hat mich gesehen und ist direkt übers Absperrband und zu mir, hat mich an der Hand genommen und ist einfach einen ganzen Kilometer mit mir zusammen gelaufen. Hat mir alles gesagt, was ich hören musste, ich war zwischen lachen und weinen und einfach nur glücklich, sie zu sehen. Max Menning (ein so so talentierter Fotograf) war auch dabei und hat einfach auf uns raufgehalten und hier, seht selbst.

    1000 x Danke & Credits to Max Menning

    Und dann – die letzten sieben Kilometer durch Manhattan. Ich sag euch, diese letzten sieben Kilometer haben sich schlimmer angefühlt als die 35 davor, ich hab noch niemals solche Schmerzen gehabt, die Beine laufen einfach nur noch automatisch, wie mechanisch. Stehen bleiben und gehen tut noch mehr weh als weiterlaufen – also weiterlaufen. Ich hab mich so so langsam angefühlt, so schwer, aber ans stehenbleiben und aufhören hab ich ganz ehrlich nicht ein einziges Mal gedacht. Einfach immer weiter, weiter, durchziehen, hochschauen, die Strecke anschauen, New York anschauen, die Menschen, dieses komplette Fest am Streckenrand mitnehmen, Leuten auf Balkonen und Treppen und Podesten und an Fenstern zuwinken.

    Der letzte Part ging am Central Park vorbei, eine lange, lange Strecke mit konstanter leichter Steigung, nochmal super schwer und anstrengend. So so viele Menschen um mich herum wieder am gehen, viele mit Krämpfen. Und ich irgendwann in meinem Kopf „Ich komm aus Stuttgart, ihr habt alle keine Ahnung was Steigung und Höhenmeter sind, ich mach das jetzt“ und immer weiter. Nochmal Anne-Marie, Eva und Helene am Streckenrand gesehen, zwei Kilometer vor dem Ziel. Da war ich schon völlig am Ende, alles ist aus mir rausgebrochen, vor Glück sind mir einfach nur die Tränen runtergelaufen. Irgendwann noch 800 Meter, 400 Meter und dann, endlich das Ziel. Über die Ziellinie, auch das komplett unter Tränen (mein Finisher-Bild ist übrigens einfach nur furchtbar, mein ganzes Gesicht ist verzerrt vom Weinen, konnte mich einfach nicht mehr halten.) Meine Medaille abgeholt, fremden Menschen um den Hals gefallen, alle einfach nur glücklich, fassungslos, emotional, völlig fertig.

    New York war die schlimmste und schwerste Strecke, die ich jemals gelaufen bin – und das haben alle gesagt, mit denen ich danach gesprochen habe. Wir waren am Abend noch mit ein paar anderen von unserem Team essen. Alles ehemalige Profis, deutsche Meister, 20-fache Marathonläufer und jeder, jeder meinte, dass New York wirklich wirklich schwer ist und dass selbst sie zwischen 10 und 20 Minuten langsamer sind als sonst. Dazu das Wetter, durchgehend Nieselregen und richtiger Regen, Wind.

    Was Essen und Trinken angeht – ich habe noch nie Energiegels genommen, da ich Süßstoffe und künstliche Zusätze nicht gut vertrage und beim Laufen kein Risiko eingehen will. Bei allen Läufen unter 30km brauche ich eigentlich nichts zu Essen, solange ich immer Kaugummis habe. Das einzige, was ich gar nicht kann ist dieser Geschmack im Mund, der nach einiger Zeit Laufen kommt. Deshalb – immer Kaugummis. Ich hab mir einen Früchte-Riegel von Alnatura mitgenommen, den hab ich bei km 24 gegessen und das war super. Außerdem hatte ich vier von diesen kleinen Zuckerpäckchen dabei, die in jedem Café zum Süßen ausliegen, die hab ich ab km 28 nach und nach genommen. Auf der Strecke gab es sehr viele Trinkstationen und ich hab direkt ab der ersten angefangen, sie zu nutzen. Abwechselnd Iso und Wasser, nur zwei Stationen hab ich ausgelassen. Auf den letzten sechs Kilometern noch ein kleines Stück Orange und zwei Bissen Banane, das wars und damit kam ich persönlich super zurecht.

    Ich hab mich durchweg sicher gefühlt. Bei der Anfahrt zum Startbereich haben wir von der Brücke aus ein paar Scharfschützen auf umherliegenden Häuserdächern gesehen und am Start standen sogar zwei Panzer – das hat schon kurz ein komisches Gefühl gemacht, aber es ging auch schnell wieder weg. Es standen so so viele Polizisten an der Strecke, viele davon auch bestens gelaunt, haben mit angefeuert, mitgefeiert. Es gab keine Sekunde, in der ich mir Gedanken um meine Sicherheit gemacht hab.

    Die Nacht danach war schlimm – ich war nach dem Marathon leider nicht mehr so geistesgegenwärtig, um genug zu trinken und Salz zu mir zu nehmen (außer eine kleine Packung Salzbrezeln) und auch beim Abendessen hab ich gerade mal vier Bissen geschafft. Das einzige, an was ich zum Glück noch gedacht hab, ist Magnesium. Meinen Wasser- und Salzmangel hab ich direkt gemerkt, noch vor dem Schlafengehen hab ich Kopfschmerzen bekommen, die die ganze Nacht über immer schlimmer geworden sind. Bin auch ab und zu wach geworden, weil meine Beine beim Umdrehen so weh getan haben. Am nächsten Morgen dann erstmal etwas Salz in einem Liter Wasser aufgelöst, das ausgetrunken, groß gefrühstückt, extra Salz auf alles, viel Kaffee und Orangensaft und dann gings wieder. Meinen Beinen gehts ganz in Ordnung, ich habe keine speziellen Schmerzen, Knie sind okay, Hüfte auch und mein rechter Mittelfuß, der mir in den letzten Monaten Probleme gemacht hat, hat auch super mitgemacht und ich merke kaum was. Tut halt alles insgesamt weh, aber ich kann laufen – trage auch schon den ganzen Tag lange Kompressionsstrümpfe, die tun auch gut. Wird alles!

    Und jetzt? Zwei Tage danach bin ich immer noch unfassbar glücklich und stolz und ich merke, wie sich so langsam Gedanken einschleichen wie – „….vielleicht noch einer?“ Vor allem, weil ich wirklich langsam war und mir sicher bin, dass da noch einiges, einiges mehr geht. Ich hätte konditionell, von der Atmung und vom Kopf her viel schneller laufen können, aber meine Beine hätten das mit meinem jetzigen Trainingsstand nicht mitgemacht. Da fehlen einfach mehr Longruns, viel mehr Longrungs und auch mehr Intervalltraining. Also – vielleicht. Irgendwann noch einer. Aber jetzt erstmal wieder auf kürzere Strecken runterschrauben, erstmal wieder nur zum Spaß laufen.. darauf freu ich mich so sehr.

    Tausend Mal Danke, an alle, die das möglich gemacht haben: an New Balance Deutschland und mein Team von Styleheads Berlin, die mich seit einem Jahr als Sponsor unterstützen und mich nach New York geschickt haben, an meine Laufcrew RUN711, an Angie, Jan und Sarah, die mein Run-Team in New York waren, an Anne-Marie, die als meine Begleitung mitgekommen ist, an Maren, die mit meine größte Motivation ist, an meinen guten Freund Tobi, mit dem ich die Vorbereitung fast zeitgleich durchgezogen hab, an all meine Freunde, die mich unterstützt und verstanden und supportet haben und – an euch. Ihr begleitet seit Anfang an meine Lauf-Story, habt gesehen, wie ich unfassbar stolz auf meine ersten 10 Kilometer war, wie ich meinen ersten Halbmarathon geschafft hab, bis hierher, immer mit unfassbar liebem Support, Nachrichten und Feedback, danke.

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