Im Sommer alleine hergekommen, von Stuttgart nach Hamburg, in eine komplett fremde Stadt, fast niemanden gekannt. Bisher nur einen Tag hier gewesen, weder gewusst, wie es hier ist, wie es sein wird, noch wie ich mich hier fühlen werde. Hamburg als Stadt, als Wohnort nie im Kopf gehabt, nie als Ziel gehabt und doch kam mir irgendwann die Idee, wieso nicht? Berlin kennst du, München ist zu nah, Köln hast du schon gesehen. Also weit weg, spontan für diese Stadt hier entschieden, einfach zugesagt, ohne Plan. Nicht ausgekannt, fremd gewesen und doch schnell angekommen. Mit jemandem zusammengezogen, den man vorher kaum gekannt hat.
Am Anfang am Wochenende oft abgehauen, immer und oft schnell nach Berlin rüber, da war irgendwie alles einfach. Hier war Anfangs nicht so viel für mich. Und dann kamen die ersten Spätsommertage, am Strand sitzen und After Work im Strand Pauli und Sonnenuntergänge an der Elbe mit dem schönsten Blick aus dem Office und beginnen, die Stadt zu entdecken, durch die Straßen zu laufen, mich mehr rauszutrauen. War schön, sehr schön. Gesehen, wie groß es scheint und wie klein es hier doch ist. Mit neuen lieben Menschen auf dem Balkon gesessen, bis spät in die Nacht. Freunden die Stadt gezeigt, die ich selbst noch nicht gekannt hab, zusammen alles entdeckt und gesehen und geschaut und gestaunt und gelaufen, gelaufen, gelaufen. Wieder mehr zu mir selbst geworden, angefangen, meinen Platz zu finden, im Praktikum und in der Stadt und mit neuen Menschen. Tolle Menschen.
Und dann – Herbst. Goldener Herbst, Laufen und Laufen und Laufen, um die Alster und im Volkspark. Im Praktikum gemerkt, dass ich auch unabhängig von Social Media und neben hier und da was schreiben und posten und das produzieren, was man so in der Uni macht, was drauf hab, viel drauf hab, dass man mir Dinge zutraut und ich das auch schaffe und gut machen kann. Das ist eins der besten Gefühle. Zwei Vorträge gegeben, einer von wichtigen und der andere vor noch wichtigeren Menschen, komplett außerhalb meiner Comfort Zone, beides mal reingestürzt, bisschen verloren gefühlt, gefangen, gut gemacht, stolz drauf. Immer mehr Aufgaben gekriegt, mehr gemacht, mehr machen dürfen, mehr geschafft. Mir größere Dinge zugetraut, vorgenommen. Mich in ein ganz fabelhaftes Team eingelebt, wenn es im Büro stimmt, macht es das Leben gleich leicht. Gute Laune, wenn man aufsteht und sich freut, freut auf den Tag und aufs Praktikum, auf die Menschen, auf die Aufgaben, auf meinen Ausblick auf die Elbe von meinem Platz aus. Auf die Mittagspausen. Darauf, fast ausschließlich über Essen zu reden, über Rezepte, über Video-Ideen und Food-Fotografie und über tolle gesunde Geschmacks-Kombinationen. Nicht so auf meine Excel-Tabellen gefreut, aber selbst das war gut und okay.
Und dann, schneller als man gucken kann – Winter. Ich als Südstadtmädchen, die viele Sonnenstunden gewohnt ist – Wintertief. Wie kann eine Stadt nur so dunkel sein? Gefühlt wochenlang kein Licht. Wolken und Wolken und Regen und Dunkel und zwischendurch für zehn Minuten die Sonne, die aufs Wasser strahlt und einfach alles wieder wett macht, bis zum nächsten Dunkel. Und dann wieder – schlechtes Wetter. Nichts für mich. Viel gelaufen und gelaufen. Hamburg hat mich viel zum Denken, Nachdenken und Erkennen gebracht, weit weg von den Menschen, die einen kennen, war ich zum ersten Mal viel alleine mit mir selbst – zwar viel und oft von neuen, fabelhaften, lieben Menschen umgeben und doch eigentlich auf mich allein gestellt – was gut war und gut ist und gut und wichtig war. Weit weg von daheim sieht man sich selbst mal richtig. Hat mich zeitweise wütend gemacht – manches will man vielleicht nicht sehen, habs auf die Stadt geschoben.
Einfach so hab ich in Hamburg nichts gekriegt, aber jede Investition, jede Bemühung und jedes Rauswagen und „mich trauen“ hat sich gelohnt, mir was gebracht und gut getan, im Nachhinein betrachtet. Hatte ich schlechte Laune, hab ich mich vom Wetter runterziehen lassen, von der Kälte und Nässe und überhaupt, hat Hamburg noch eins draufgesetzt und es eher schlimmer gemacht. Hab ich dann auch irgendwann erkannt. Irgendwann erkannt, dass Hamburg dafür nichts kann. Waren andere Dinge. Als die wieder gut waren, war auch Hamburg wieder schön. Wenn ich das das Schöne gesucht hab, hab ich auch wieder gemerkt, wie viel es gibt. So so viel. Und wenn man das sieht, dann hat Hamburg auch hier eins draufgesetzt, mir noch mehr Schönes gegeben. Verrückt. In den letzten Wochen wieder so so so glücklich und ich selbst gewesen und wahnsinnig gut gefühlt, jeder Tag war gut.
Und jetzt bin ich weg und kann kaum fassen, wie ein halbes Jahr einfach so rum ist. Ab und zu gedacht, dass ich es kaum erwarten kann, wieder zu gehen, weg von dem Regen und allem anderen und jetzt irgendwie doch noch nicht fertig mit der Stadt. Hamburg war unnahbar für mich und kalt und hat sich anfangs keine Mühe gegeben, von mir gemocht zu werden. Entweder ich gefall dir oder eben nicht. Was du draus machst, deine Sache. Und dann, wenn man es gar nicht mehr für möglich hält, will man auf einmal nicht mehr weg. Dann kommen auf einmal sonnige Tage, wieder so so so viele schöne Situationen und es ist die schönste Stadt der Welt.
Ich hab mehr in dem halben Jahr hier über mich selbst gelernt, als in den zwei Jahren davor daheim. Hab viel erkannt und erkenne mich doch teilweise selbst nicht wieder, was aber etwas gutes ist. Ich war oft unterwegs, nur zwei Mal daheim, was auch etwas gutes ist. Das halbe Jahr Hamburg war nicht unbedingt immer nur gut zu mir, aber es war genau das, was ich gebraucht hab, ohne, dass ich es überhaupt wusste oder wollte. Abgesehen davon, wie wunderschön die Stadt ist und wie fabelhaft die Menschen hier sind und wie glücklich ich darüber bin, bin ich noch glücklicher darüber, dass ich gehe und mehr ich selbst bin, als ich es je war, die Stadt mehr mag, als ich erwartet hätte und mir auf einmal unglaublich sicher bin, dass ich nicht lange weg sein werde.
Wearing:
Levi’s 70550 Jeansjacke (Secondhand gekauft, gibt’s hier) | Oversize Hoodie by & other stories (hier) | Black Skinny Jeans by Dr. Denim (hier)
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Fotos by Aylin